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Ein Handwerker demontiert im Keller eines Zürcher Wohnhauses eine alte Ölheizung. Eine neue Studie zeigt: Es lohnt sich aus Umweltsicht, die alten Heizungen möglichst rasch zu ersetzen, auch wenn sie noch voll funktionieren. Foto: Keystone

Neue Berechnungen: Aus Umweltsicht müssten Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer ihre fossilen Heizungen möglichst rasch austauschen und nicht erst an deren Lebensende. Das zeigt eine neue Ökobilanzstudie.

Niemand käme auf die Idee, einen neuen Kühlschrank zu kaufen, wenn der alte noch voll funktionstüchtig ist. Doch genau das sollten Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer bei ihren fossilen Heizungen tun – zumindest aus ökologischer Warte. Eine neue Studie im Auftrag der Umweltorganisation WWF zeigt jedenfalls, dass Öl-oder Gasheizungen aus Umweltsicht möglichst rasch ausgetauscht werden sollten, und zwar selbst dann, wenn diese noch einwandfrei funktionieren. Die noch nicht veröffentlichte Studie der Schaffhauser Energieberatungsfirma ESU-services GmbH, die dieser Zeitung vorliegt, stellt damit eine weitverbreitete Faustregel auf den Kopf. Bislang galt für Heizungen die Annahme einer Lebensdauer von ungefähr 20 Jahren.

Plausible Ergebnisse

In ihrer Auswertung haben die Studienautoren für ausgewählte Heizungssysteme Ökobilanzen erstellt – und diese miteinander verglichen. Grundsätzlich flossen Herstellung, Betrieb sowie Entsorgung der jeweiligen Heizung in das Berechnungsmodell ein. Berücksichtigt sind die Gesamtumweltbelastung, der Bedarf an Energie aus nicht erneuerbaren Quellen sowie das Klimaänderungspotenzial. Bei Letzterem handelt es sich im Wesentlichen um den Ausstoss des Treibhausgases CO2. Solche Ökobilanz-Rechnungen sind sehr komplex. Und die Autoren mussten zahlreiche Annahmen treffen, um überhaupt Vergleiche anstellen zu können. Christian Bauer vom Paul-Scherrer-Institut ist Spezialist auf diesem Gebiet. Zur Studie sagt der Wissenschaftler: Die Ergebnisse würden «im Rahmen des Erwarteten liegen», sie seien «plausibel».

Wirtschaftliche Komponente

Für die Hausbesitzer liefert die Studie letztlich konkrete Handlungsanweisungen. So schreiben die Autoren: Wer noch eine Öl-oder Gasheizung in seinem Gebäude hat, soll aus Umweltsicht «möglichst bald» auf eine Wärmepumpe, Pellet- oder Fernwärmeheizung umsatteln. Und wer in einem schlecht gedämmten Haus wohnt, das direkt mit Strom geheizt wird, sollte sogar «sofort» umsteigen.

Doch kommen die neuen Erkenntnisse bei den Hausbesitzern auch an? Stefan Aeschi, Experte für Bau- und Energietechnik beim Schweizerischen Hauseigentümerverband, sagt zwar, die Ergebnisse der Studie seien «aus ökologischer Betrachtung eindrücklich», letztlich entscheide aber immer noch die Gesamtbetrachtung über den Ersatz einer fossilen Heizung. Da fliesse auch die wirtschaftliche Komponente mit ein. «Unsere Sicht auf das Thema verändert die Studie sicher nicht», sagt Aeschi.



Ein Handwerker demontiert im Keller eines Zürcher Wohnhauses eine alte Ölheizung. Eine neue Studie zeigt: Es lohnt sich aus Umweltsicht, die alten Heizungen möglichst rasch zu ersetzen, auch wenn sie noch voll funktionieren. 
Foto: Keystone


Wenn die Schweiz ihre Klimaziele erreichen will, muss sie vor allem bei den Heizungen vorwärtsmachen.

Doch klar ist: Wenn die Schweiz ihre Klimaziele erreichen will, muss sie vor allem bei den Heizungen vorwärtsmachen. Die derzeit strengsten Regeln hat Basel-Stadt. In diesem Kanton müssen bis 2035 alle fossilen Heizungen abgeschaltet sein. Im europäischen Vergleich gibt es hierzulande allerdings noch immer überdurchschnittlich viele Öl- und Gasheizungen. «Immer noch werden jedes Jahr Tausende fossile Heizungen neu in Häuser eingebaut», sagt WWF-Klimaexperte Elmar Grosse Ruse. «Deshalb braucht es Regelungen, um dies zu verhindern. Da haben wir einen grossen Hebel.» Grosse Ruse denkt an Emissionsgrenzwerte oder «attraktive Förderangebote». Der WWF kämpft dafür, dass die CO2-Emissionen aus fossilen Energien in der Schweiz vor dem Jahr 2040 auf netto null zurückgehen.

Doch wie stehen die Politikerinnen und Politiker der Umweltkommission (Urek) dazu? Schon das gescheiterte CO2-Gesetz hatte verschärfte CO2-Grenzwerte vorgesehen, die den Wiedereinbau einer Öl- und Gasheizung stark erschwert hätten. Eine Neuauflage dieses Elements scheint nach dem Volks-Nein vom letzten Juni unwahrscheinlich, wie Nachfragen bei Urek-Mitgliedern zeigen. Selbst linke Parlamentarier wie SP-Fraktionschef Roger Nordmann sehen nur wenig Spielraum für solch technische Vorschriften.

Mehrheitsfähig scheint dagegen die Idee verstärkter Fördermassnahmen. Strittig ist indes ihre Ausgestaltung. «Wir müssen ab sofort en masse Ölheizungen ersetzen, und zwar mit einer finanziellen Prämie, um alle Willigen anzuspornen», sagt Roger Nordmann.

SP will mehr Subventionen

Diese Woche wird die Frage in der Urek aufs Tapet kommen – im Rahmen der Diskussion über einen Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative. Die SP fordert ein ausserordentliches Heizungsersatzprogramm, das fünf Jahre dauern und aus Steuergeldern finanziert werden soll. Pro ersetzte Öl-, Gas- oder elektrische Widerstandsheizung sollen Hausbesitzer 12’000 Franken erhalten, plus 3000 Franken pro zusätzliche Wohnung im Gebäude, macht also zum Beispiel bei vier Wohnungen in einem Gebäude 21’000 Franken. In bürgerlichen Kreisen hingegen stossen neue Subventionen auf Widerstand. FDP-Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher schlägt öffentlich-private Partnerschaften vor: Es sei sinnvoll, energetische Sanierungen mit langfristigen Energiespardarlehen zu ermöglichen und zu fördern, vergeben von Banken, abgesichert durch eine Bürgschaft des Staates, sagt sie. Durch die staatliche Risikoabsicherung würden die Konditionen der Darlehen entsprechend vergünstigt.

Weniger Heizöl und mehr Wärmepumpen

Die wichtigsten Energieträger für die Beheizung von Schweizer Wohngebäuden, in %



Genügen die Anreize?

Der Bundesrat setzt bei der CO2-Abgabe auf Brennstoffe. Zurzeit fliessen zwei Drittel an Bevölkerung und Wirtschaft zurück; der Rest geht ins Gebäudeprogramm, mit dem etwa Hauseigentümer bei der Anschaffung von fossilfreien Heizungen unterstützt werden. Künftig soll dieser Topf nach Vorschlag des Bundesrats circa hälftig geteilt werden. Damit wird mehr Geld für das Gebäudeprogramm frei, für den Heizungsersatz plant der Bundesrat mit zusätzlich 40 Millionen Franken pro Jahr. Er will so einen Anreiz schaffen, um «möglichst rasch» weitere Heizungsanlagen zu ersetzen. Offen ist, ob Anreize allein genügen werden.

Nur schon in Wohnbauten sind nach Schätzungen des Bundes noch 900’000 fossile Heizungen in Betrieb. Soll der Gebäudepark wie geplant bis 2050 CO2-frei sein, müssen pro Jahr 30’000 fossile Heizungen durch Alternativen mit erneuerbaren Energien ersetzt werden. Im Rahmen des Gebäudeprogramms von Bund und Kantonen sind es derzeit aber viel weniger: 12’500.

Mit freundlicher Genehmigung von der Basler Zeitung. Artikel vom 17. 01. 2022. Autoren: Dominik Balmer und Stefan Häne